Hallo Addi,
glaub mir, Du bist bei weitem nicht die einzige, die nicht direkt im Kopf hat, dass es ja auch heutzutage Indianer gibt. "Traurig und hoffnungslos" höre ich von Europäern zwar immer wieder, das stimmt aber überhaupt nicht. Ja, die meisten schwimmen nicht gerade im Geld. Sind sie deshalb hoffnungslos? Nein, überhaupt nicht. ... "Aber man sieht doch immer die Bilder von obdachlosen Alkoholikern im runtergekommenen Reservat" ... ja, in den Medien sieht man das LEIDER immer wieder.
Jetzt beantworte ich mal gleich zwei Fragen in einem: Ja, ich habe persönlichen Kontakt zu Indianern. Und jetzt erzähle ich mal ein bisschen aus dem "Nähkästchen": 2007 war ich in Ontario, Kanada. Insgesamt 3 Wochen hatte ich "kinderfrei", eine Woche davon habe ich auf Manitoulin Island verbracht. (siehe auch hier
http://indianer.iphpbb3.com/forum/10796471nx53233/reiseberichte-f10/manitoulin-island-ontario-canada-t22.html). Im Osten dieser Insel liegt das Reservat Wikwemikong, auch einer der ärmsten Reservate überhaupt. Und wie sah es dort aus? Hab ich die ärmlichen Hütten gesehen, die man in den Medien so gerne zeigt? ... Hmmm ... Also die Gegend ist sehr wasserdurchzogen, die Vegetation ist also üppig und während meines Aufenthaltes grünte und blühte alles. NICHTS erinnerte an das, was ich aus dem Fernsehen kannte. Ich übernachtete zunächst in einer privaten Unterkunft relativ zentral auf der Insel bei einem traditionellen Anishnaabe. Nebenan auf der Wiese stand ein Gebilde aus Holz, was ich hier maximal als Scheune beschrieben hätte. ... Man hat mich dann belehrt, dass dies die öffentliche Bibliothek ist und ich dort - ganz im Gegensatz zu dem von mir zunächst benutzten verflixt teuren Internet-Cafe - ganz umsonst Zugang zum Internet hätte haben können. Auf der Insel gibt es viele Seen und gerade an den Seeufern stehen eine Menge Häuser, denen man ansieht, dass sie die Wochenend- und Ferienhäuser durchaus reicher Leute sind. ... Und die Indianer von Wikwemikong (ebenso der anderen Gemeinden auf Manitoulin Island)? Wenn sie nicht so tolle schwarze Haare mit ganz eigentümlichem Blaustich hätten (HIER würde ich sagen: eindeutig gefärbt, dort ist das tatsächlich natürlich und sieht im Sonnenlicht KLASSE aus), wären sie kaum aufgefallen. Ja, auch dort gibt es eine Menge mit Alkohol- und Drogenproblemen. Und trotzdem habe ich selten Menschen gesehen, denen so viel Mist im Leben begegnet ist und die trotz allem eine derartige Lebensfreude ausstrahlen.
Die letzten zwei Nächte verbrachte ich in einer anderen Unterkunft. Die Eigentümerin war noch selbst in einer Residential School und sowohl bei ihr als auch bei ihrer Freundin (beide damals knapp 60) sieht man noch die Narben auf dem Rücken verursacht durch Schläge mit Gürteln, Holzlatten und ähnlichem. Die Lebensgeschichte der Eigentümerin gereicht dazu so manch einen Europäer in die Depression zu treiben, nur beim blossen zuhören. Und trotzdem hatte diese Frau immer ein fröhliches Lächeln im Gesicht. Sie hat mich zu einer Geburtstags-Barbeque-Party bei einem "Verwandten" eingeladen. Alles Anishnaabe im Alter von 2 1/2 bis ... keine Ahnung, ich glaube etwas über 60, sah aber aus wie 150. Sie haben mich auf der "Farm" herumgeführt und mir auch ihre privaten Räume gezeigt. Manitoulin Island ist nicht gerade Italien im Sommer, auf Manitoulin Island kennt man heftige Winter. Viel hatten die Leute nicht, vor manchen Fenstern auch nur Decken. Aber sie waren zufrieden und es war eine wunderschöne, fröhliche und sehr herzliche Party.
Die Medien reduzieren gerade Reservatsindianer immer so gerne auf die Bilder, die man eben so kennt. Dabei sind sie viel mehr
https://www.youtube.com/watch?v=FhribaNXr7AIch bin jetzt schon mehrfach in die USA gereist. Abgesehen von Ontario damals allerdings hauptsächlich nach New Mexico und Arizona. Aber auch dort ist es überhaupt kein Problem, mit Indianern in Kontakt zu kommen. Viele arbeiten auch irgendwie im Tourismus-Bereich, da ist es extrem einfach mit ihnen ins Gespräch zu kommen ... und wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, kann daraus auch durchaus eine längere Beziehung bis hin zur Freundschaft werden.
"Fördermöglichkeiten und politische Einsätze" ... hmmm ... versteh mich jetzt bitte nicht falsch, ich will hier niemandem auf die Füße treten. Aber bei vielen Europäern habe ich oft das Gefühl, dass sie sagen "oh, die armen Indianer, lasst uns sie belehren, sie auf den rechten Weg bringen. Lasst uns Geld (oder Klamotten) spenden ... damit WIR uns gut fühlen und die Indianer uns soooo dankbar sind, dass sie uns gleich in den Stamm aufnehmen." In meinen Augen ist das völliger Quatsch! Zum einen sind Indianer nicht doof, sie können durchaus selbst entscheiden, was gut für sie ist und zum anderen wollen sie genauso wenig immer nur von Spenden leben, wie auch hier in Deutschland so manch einer lieber extrem wenig hat anstatt dem Staat auf der Tasche zu liegen.
Ja, ich persönlich fördere Indianer. Schicke ich deswegen Geld? Nein. Ich will sie nämlich auch nicht beleidigen. Ich erstelle z.B. Webseiten, mache Werbung gerade für kleine (bisher) unbekannte Künstler und so. Ich behandel sie ALS MENSCH, nicht als "Bettler". (Winzig kleiner Beitrag meinerseits, aber einer, bei dem die entsprechenden Indianer jederzeit stolz sagen können "das habe ICH (Indianer) erreicht". Engagiere ich mich politisch? ... hmmm ... durch die Arbeit z,B, hier in diesem Forum behaupte ich "ja". Denn ich versuche, das Bild der Indianer in den Köpfen der europäer gerade zu rücken. Arbeite ich an Projekten in Indian Country? Nein. Die beobachte ich, versuche möglichst viele und vor allem möglichst objektive, ausgewogene Informationen zu bekommen, aber da ich mir durchaus bewusst bin, eben nur ein Aussenstehender zu sein, so kann ich beobachten und mir vielleicht auch privat meinen Teil denken. In den seltensten Fällen jedoch werde ich wirklich ALLE Informationen haben und so ist eine BEURTEILUNG der in Indian Country stattfindenen Prozesse meinerseits absolut unpassend.
Tja, bei der Irokesenausstellung hatte ich das Glück, dass wir nur 2 Personen waren und meine Freundin selber keine Ahnung von Indianern hat, sich also völlig auf mich verliess ... und wir unseren "Mädelstag" einfach in vollen Zügen genossen haben. Ich habe bei den 32 Euro auch zunächst geschluckt, erst recht als ich noch gar nicht wusste, wie umfangreich das Buch ist, aber ICH habe es zumindest nicht bereut. ... Vielleicht hast Du ja Glück und es taucht wirklich mal ein Exemplar bei ebay auf (meins gebe ich zumindest nicht her
)
Frauen spielten im Grunde bei allen Stämmen eine wichtige Rolle, schließlich waren sie es, die Leben schenkten und die Familie zusammenhielten. Ansonsten würde ich mal grob unterteilen in matrilinear organisierte Nationen und patrilinear organisierte Nationen. Bei den Cherokee z.B. ist es meines Wissens nach so, dass es zwar sog. Häuptlinge (männlich) gibt, der Stamm aber als solcher in Clans unterteilt ist, jeder Clan seine "Clanmutter" hat und unter diesen Clanmüttern es dann eine "oberste" Clanmutter gibt. Und diese oberste Clanmutter ist es dann, die bestimmt, wer Häuptling ist und wenn ihr nicht gefällt, wie dieser Mann seine Position ausfüllt, kann sie ihn auch kurzerhand wieder absetzen und einen anderen berufen.
Ja, Wampum-Belts sind gewebt. Aber die "Perlen", die dort verwebt sind, werden eben aus Muschelschalen u.ä. angefertigt. Stoffe im eigentlichen Sinne sind dabei nicht beteiligt, allerdings wurden Bänder gefertigt, die ebenfalls gewebt oder geknotet sind ... und auch da zeigte die Ausstellung schöne, filigran gefertigte Stücke.
... und nochmal: blöde Fragen gibt es nicht. Ja, es ist schön, wenn Leute erst mal selber lesen und nicht alles X-fach fragen, aber im schlimmsten Fall verweisen wir Dich einfach auf den entsprechenden Thread und gut ist.
Gruss
Bärbel