INDIANER zwischen Gestern und Heute

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Alles andere als "Native American" ist eine Beleidigung




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Alles andere als "Native American" ist eine Beleidigung

Beitragvon Bärbel » Fr 20. Jul 2012, 09:21

Schon mal gehört? Vor allem gehört, dass die Bezeichnung "Indian" von einem Indianer als Beleidigung empfunden würde? Nun, also nach meiner Erfahrung ist das Quatsch!

2007 hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, selbst über den großen Teich zu fliegen und Indianer vor Ort zu besuchen (Ich war zwar schon mal 2005 in "Indian Country", aber das war so eine ganz typische Touristentour und nicht speziell auf den Kontakt mir Indianern ausgerichtet). Also wollte ich vorbereitet sein und habe - die ich ja im Deutschen gewohnt bin "Indianer" zu sagen - geübt, im englischen möglichst flüssig auch dieses "Native American" rauszukriegen. Blöde nur, dass meine erste Tour ja gar nicht in die USA sondern nach Ontario, Canada, ging und man dort eigentlich "First Nation" sagt. Kaum war auch mir dieser Umstand "wie Schuppen aus den Haaren gefallen" ;) , übte ich also fleissig mein "First Nation". ... Ist aber schwierig, weil sich damit für mich auch etwas die Grammatik änderte. ... Aber was tut man nicht alles, um einen guten Eindruck zu machen ...

Zugegeben, mein "First Nation" kam zunächst durchaus holperig daher, aber immerhin, die gut gemeinte Geste wurde als solche erkannt und geschätzt. ... und mit dem Kommentar belohnt "Why don´t you say "Indian"? It´s probably way easier for you, isn´t it?" (Warum sagst Du nicht "Indian"? Ist bestimmt deutlich einfacher für Dich, oder?" ... Wir haben dann mal gut gelacht (mein Gegenüber höchstwahrscheinlich am meisten über mein völlig erstauntes Gesicht) und ich bin dazu übergegangen, nun doch "Indian" zu benutzen - geht einer Deutschen ja auch viel leichter von der Zunge :lol: . Bei Leuten, die ich zum ersten Mal treffe, frage ich allerdings zunächst, was sie denn bevorzugen. Damit zeige ich dann nämlich bereits, dass ich ja niemanden beleidigen möchte, sondern mich bemühe, es meinem Gegenüber Recht zu machen, und somit hat mir bisher auch noch kein Gegenüber es irgendwie übel genommen, wenn ich dann im Eifer der Unterhaltung dann doch mal den anderen Begriff verwendet habe.

2008 bin ich dann nach New Mexico und Arizona, USA. Wie gesagt, 2005 hatte ich schon mal eine Touristentour in dieser Gegend, und damals war mir aufgefallen, dass es an diesen typischen Touristen-Souvenirshops immer wieder so eine Art Autonummernschild gab mit verschiedensten Aufschriften. Und eine davon war in 2005 noch "Native Pride". 2008 hingegen konnte ich solch ein Schild nirgendwo mehr finden. Dafür aber Schilder mit "Indian Pride". ... OK, was bedeuten schon Touristen-Souvenirshops, fragen wir mal die Betroffenen.

Ich habe damals eine Rundreise quer durch vor allem New Mexico gemacht und dabei erstaunlich viele Indianer höchstpersönlich getroffen und gesprochen. Sicherlich, es gab unter ihnen durchaus einige, die auf meine Frage, welche Bezeichnung ihnen am liebsten sei, mit "Native American" antworteten, aber mindestens die gleiche Anzahl lächelte mich an und meinte "Indian, if you don´t mind" ("Indian", falls es Dir nichts ausmacht).

Und die Erklärung dafür habe ich auch gleich mitgeliefert bekommen (hier mal in Deutsch und mit meinen eigenen Worten wiedergegeben):
Weisst Du eigentlich, woher der Name Indianer kommt?
Klar, das geht auf Christoph Columbus und seine Schiffsreise Richtung Westen im Jahre 1492 zurück. Aber hat er wirklich geglaubt, in Indien gelandet zu sein? Hat er somit wirklich die dort lebenden Menschen aus Versehen so bezeichnet, dass wir sie heute Indianer nennen? Oder war er sich vielmehr sehr wohl bewusst, dass das erreichte Land nicht Indien sondern irgend etwas anderes war?. Hat er dann mit der Bezeichnung „gente in dios“, aus der sich später das Wort Indianer entwickelt hat, bewusst bisher unentdeckte Menschen benannt und dabei seine Empfindungen gegenüber diesen Menschen einfließen lassen?

Zur Zeit ist diese Frage durchaus umstritten. Als Columbus Geldgeber für seine Reise suchte, gab er an, dass er in einer bestimmten Entfernung in westlicher Richtung Land zu finden erwarte. In seinem Logbuch zu der Reise von 1492 ist erwähnt, dass er sich mit den Kapitänen der insgesamt drei zusammen reisenden Schiffe unter Zuhilfenahme einer Karte beraten hat, nachdem sie einige Vögel gesichtet hatten. Sie wechselten den Kurs und fanden nach 8 Tagen Land. Und das hatte etwa die bereits vor der Reise vermutete Entfernung zur Iberischen Halbinsel. Deshalb gehen einige Historiker davon aus, dass Columbus davon überzeugt war, genau den angestrebten Weg nach Indien gefunden zu haben. Allerdings ist heute ebenfalls umstritten, was eine Columbus vorliegende Karte wohl enthalten haben mag. Es gab zu dieser Zeit Karten die Indien zeigten, dort wurde allerdings eher die Bezeichnung Hindustan verwendet und die Bewohner nannte man Hindus. Warum sollte Columbus dann einen anderen Namen verwenden?

In Spanien gab es zu dieser Zeit hauptsächlich katholische Monarchen. Wenn diese Columbus Auftraggeber für die Reise waren, warum gab es dann keinen katholischen Priester auf auch nur einem der drei Schiffe? Da die katholischen Monarchen bestrebt waren, alle Einwohner Spaniens zum Katholizismus zu „bekehren“, gab es grosse Unruhen, die im Endeffekt zur Inquisition und der Flucht vieler Nicht-Katholiken führte. Columbus selbst hat sich nie über seine Religionszugehörigkeit geäussert oder zumindest ist dies nicht bekannt. Manche Historiker glauben allerdings, dass er eben zu den Nicht-Katholiken gehörte und damit auf der Suche nach Land war, wo man fernab der Inquisition und dem mit ihr einhergehenden Terror leben konnte. In dem Zusammenhang ist es dann auch nicht verwunderlich, dass Columbus sehr beeindruckt von der Güte, dem Anmut, der Freundlichkeit und der Großzügigkeit der Bewohner des neu entdeckten Landes war und er mit „gente in dios“ (Menschen in Gott) genau diesen Eigenschaften Ausdruck verleihen wollte und sie nicht wirklich für Inder hielt.

Was auch immer Columbus wirklich gemeint haben mag, wird wohl eher ungeklärt bleiben. Für heutige Indianer macht es allerdings einen grossen Unterschied, ob ihr Name ein Versehen oder der Ausdruck von Respekt und Hochachtung ist.


Und auf noch etwas machte mich der Indianer aufmerksam, der mir obige Erklärung gab:
Columbus war zwar Italiener aber in spanischen Diensten und durchaus gebildet. In Spanisch müsste es aber heissen "gente EN dios" und nicht "gente IN dios". So etwas schreibt höchstens ein Italiener. ... und rein zufällig war der Schreiberling auf Columbus Schiff tatsächlich Italiener. Was schließen wir daraus? Columbus hat etwas gesagt, was der Italiener als "gente IN dios" niederschrieb. Eigentlich müsste es also nun Endianer und nicht Indianer heissen. ... Hast Du schon mal die Bezeichnung "NDN" gesehen? ... Wie spricht man das? ... Genau "ENDIEN" (oder etwas schluderig "Endian")
Macht Sinn, oder?

Tja, und je mehr ich nun mit Indianern in Kontakt komme - egal ob real Auge in Auge oder rein virtuell per Internet - sie verwenden alle möglichen Bezeichnungen (die hier aufgeführte Reihenfolge ist keine Rangliste sondern nur eine Aufzählung!): "Native", "Native American", "American Indian", "Indian", "NDN", "Skin" und was weiss ich nicht noch alles. Im Umgang empfielt es sich, nach der Vorliebe der entsprechenden Person bezüglich der Bezeichnung zu fragen, aber ... "der Ton macht die Musik". Nicht das Wort als solches!

Gruss
Bärbel
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