INDIANER zwischen Gestern und Heute

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Ich wurde adoptiert, also bin ich Indianer




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Ich wurde adoptiert, also bin ich Indianer

Beitragvon Bärbel » Mi 25. Jul 2012, 09:06

Nun, so einfach ist das nicht! Zunächst mal ist zu unterscheiden, ob es eine rein zeremonielle Adoption durch eine indianische Familie war oder auch tatsächlich rechtliche Konsequenzen hat. Da der Satz "Ich wurde adoptiert, also bin ich Indianer" aber meist von Leuten kommt, die rein zeremoniell adoptiert wurden (wenn überhaupt), beschränke ich mich an dieser Stelle auch mal darauf.

Sicherlich gab und gibt es immer wieder indianische Familien, die aus den unterschiedlichsten Gründen Menschen "adoptieren". Aber warum? Und was hat das für Konsequenzen?

Wurde letztlich im Zuge der Dreharbeiten zu dem neuen Lone Ranger Film mit Johnny Depp noch darüber berichtet, dass eine Crow Familie Johnny Depp nun adoptiert hat, so ist dies wohl mehr als nette symbolische Geste als als tatsächliche Aufnahme in die Familie oder gar den Stamm anzusehen. Und selbstverständlich ist diese symbolische Geste durchaus vorteilhaft für beide Seiten. Schließlich wurde im Vorfeld heftigst diskutiert, warum denn nun ausgerechnet Johnny Depp, der zwar angibt Vorfahren unter den Cherokee zu haben, aber ansonsten doch eher wenig (bis gar keine) Verbindung zu seinen indianischen Wurzeln zu haben scheint, die Rolle des Indianers bekommt, anstatt diese Rolle tatsächlichen Indianern (die es ja durchaus auch im Filmgeschäft gibt) zu geben. Eine "Adoption" durch eine indianische Familie nun, macht ihn - zumindest in den Medien - ein bisschen mehr zum Indianer und gibt den Anschein der "Legitimation" für die Wahl der Rollenvergabe. ... Und die Familie, die ihn "adoptiert" hat, dürfte schon mal allein für die Interviews bezüglich der "Adoption" von den Medien Geld und ansonsten zumindest mal öffentliche Aufmerksamkeit bekommen haben. ... was eventuell dann sogar auch dem Stamm zugute kommt, weil auch dieser Stamm rückt damit ein bisschen mehr in den Fokus der Öffentlichkeit, die ansonsten bei dem Wort "Indianer" ja vornehmlich an die Lakota und da insbesondere an die der Pine Ridge Reservation denkt (dabei gibt es ja noch sooooooo viel mehr).

Auch hierzulande hört man des öfteren von gebürtigen deutschen Indianerbegeisterten "Ich bin in die USA gereist, habe dort meinen Stamm besucht, bin adoptiert worden und habe somit auch meinen indianischen Namen erhalten." Sind die dann jetzt Indianer??? Nein, natürlich nicht. In keinster Weise!

Richtig ist ohne Frage, dass diese Menschen in die USA gereist sind und dort Indianer besucht haben. Aber ist das IHR Stamm? Nein! Zunächst mal ist es der Stamm, für den sie sich - aus welchen Gründen auch immer - am meisten interessieren ... als Aussenstehender!

Anzunehmen ist wohl auch, dass man sich während des Besuches durchaus gut verstanden hat. Aber ist man damit dann auch gleich ein ENGER Freund oder gar ein Familienmitglied?

Vielleicht sind die Kontakte im Laufe der Zeit tatsächlich so weit gediehen, dass der deutsche Indianerbegeisterte als Freund dieser indianischen Familie anzusehen ist, und die Familie möchte dem nun Ausdruck verleihen, indem sie tatsächlich solch eine zeremonielle Adoption durchführen (wobei dazu mehr gehört, als dass man bloss mal mit einem "Namen" betitelt wurde). Damit ist man aber zunächst mal nur in die Familie aufgenommen! Integration in die Stammesgemeinschaft ist da noch etwas ganz anderes.

In den Reservaten leben heutzutage sowohl Stammesangehörige als auch zum einen Angehörige anderer Indianer-Nationen und zum anderen auch Nicht-Indianer. Im alltäglichen Leben integriert sind diese Menschen durchaus. Aber eben im alltäglichen Leben und damit noch lange nicht vollwertiges Stammesmitglied. Sprich, bei Stammesbelangen fehlt ihnen das Wahlrecht und z.B. Häuser BESITZEN können sie auch nicht (höchstens ein lebenslanges Wohnrecht auch nach dem Tod des stammesangehörigen Ehepartners). Auch bei Zeremonien, die ihre Kinder mit dem stammesangehörigen Ehepartner betreffen, sind sie nur beschränkt integriert. Sie dürfen dann eventuell bei diesen Zeremonien dabei sein und auch bei den entsprechenden Vorbereitungen helfen, die eigentlichen zeremoniellen Handlungen dürfen sie jedoch nicht ausführen.

Wenn dies schon für die Menschen gilt, die tatsächlich auf Stammesland leben und im Alltag durchaus integriert sind, was sagt das dann über die "Interation" der deutschen Indianerbegeisterten, die gerade mal auf Besuch kamen, aus? Genau! Sie sind WEIT davon entfernt, tatsächlich zu dem Stamm zu gehören, den sie so gerne als "ihren" Stamm ausgeben! Sie sind VIELLEICHT ein Familienmitglied geworden (aus welchen Gründen auch immer die entsprechende Familie dies nun wollte). Aber STAMMESmitglied und somit "Indianer" sind sie noch lange nicht.

Gruss
Bärbel
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