INDIANER zwischen Gestern und Heute

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"Powwow"s, "Indianer"festivals u. ä. Events in Europa




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"Powwow"s, "Indianer"festivals u. ä. Events in Europa

Beitragvon Bärbel » Di 25. Feb 2014, 08:26

Hier in Europa gibt es recht kontroverse Meinungen zu hier in Europa stattfindenden sogenannten "Powwow"s, "Indianer"-Festivals und ähnlichem. Die Fronten bei "Diskussionen" darüber, ob solche Veranstaltungen gut oder schlecht sind, sind extrem verhärtet und so möchte auch ich hier nicht erneut eine solche "Diskussion" vom Zaun brechen. Ich möchte aber sehr wohl gerne dem Leser, der noch offen ist für die Sichtweise anderer Menschen, gerne mal etwas zu lesen geben, was ich Auge in Auge schon soooooo oft von Indianern gehört und nun auch mal schriftlich festgehalten gefunden habe ... von jemand, der offensichtlich DABEI war und die Dinge nicht bloss vom Hörensagen kennt:

http://indiancountrytodaymedianetwork.com/2014/02/24/star-trek-convention-native-enthusiasts-inside-german-pow-wow-153712?page=0%2C0

Ein Star-Trek-Treffen für Indianer-Begeisterte: Bei einem deutschen Powwow


Das "Winter Pow-Wow 2014" fand am 15. Februar in Berlin, Deutschland, in der Sporthalle der Fritz-Reuter Oberschule statt. Verkäufer von Indianer-inspirierten Gegenständen waren zahlreich vertreten, ständig auf der Suche nach importierten Waren von amerikanischen Indianern - wie z.B. handgefertigte Lederartikel, Kleidung, Perlenstickereien und Dekorationsgegenstände - aber die meisten der zum Verkauf angebotenen Artikel hatten einen "Made in China"-Aufkleber.

Um den zentralen Tanzpkreis herum - welcher übrigens abgesehen von Bühnenlichtern auf Stativen und ein paar Reihen von Stühlen nicht vom Rest der Halle abgegrenzt war - sah ich Trommeln ähnlich denen, die ich von zu Hause kenne, allerdings waren sie "gemischt" besetzt, sprich Männer und Frauen trommelten gemeinsam, etwas, was bei vielen Stämmen in Amerika absolut inakzeptabel ist. Die Tänzer, die sich in diesem [Tanz-]Bereich aufhielten [wörtlich übersetzt, die diesen Bereich aufmischten/durchpflügten], waren gekleidet in einer Kombination aus New-Age-Gewandung oder einem Mischmasch der verschiedensten Kulturen der Welt, wobei die meisten sich an Kostümen im indianischen Stil versucht hatten im Stile von Grass-, Men´s Traditional-. Fancy Shawl- und Jingle-Tänzern. Solche, wie man sie täglich haufenweise bei ebay oder ähnlichen Webseiten kaufen kann, selbst in Europa.

Bei viele der Teilnehmer, die darauf warteten, dass die Veranstaltung begann, sah es so aus, als trugen sie so viele Brustplatten, Bärenkrallen-Ketten, Federn und Knochenschmuck, wie sie gerade noch tragen konnten. Unter den vielleicht 200 Zuschauern trugen ebenfalls viele ihre "Indianer"- oder Western-Ausstattung, war es nun eine einzelne Feder, Moccassins oder Gesichtsbemalung, aber abgesehen von meinem Sohn und mir und Robert Packard, einem Yankton Sioux, der schon seit mehr als 30 Jahren in Europa lebt, waren keine Indianer dort. Genau genommen war überhaupt keine andere Minderheit vertreten und die Blicke in meine Richtung variierten von neugierig bis herausfordernd.

Auf diese Veranstaltung aufmerksam gemacht worden waren wir durch Packard, der eingeladen worden war, und so erreichten wir die Veranstaltung kurz vor dem "Grand Entry", welches angekündigt wurde von einer sehr langen Rede des "MC" und der "Head Woman". Mehrere Gebete und New-Age-Gesänge wurden dargeboten und in verschiedenen Sprachen wiederholt und ab und zu von ein paar Worten in Lakota (die Lieblings-Indianer-Sprache in Deutschland) durchsetzt, gefolgt von einer recht modifizierten Darstellung der "Powwow Etikette".

Als ein Inter-Tribal-Lied begann (ironischer Weise, denn es waren ja keine Stämme anwesend), nahm mich einer der Ordner zur Seite und erklärte mir, ich solle meinen Hut abnehmen, denn das gehöre sich so bei Powwows. Ich habe ihn sofort unterbrochen.

"Ich bin Indianer und ich weiss, was sich bei Powwows gehört. Das hier ist sowieso keins und denen dort sagst Du auch nicht, sie sollen ihre Hüte absetzen" ich zeigte auf ein paar Deutsche mit bedecktem Kopf "Warum sprichst Du gerade mich an?" Er war schnell verschwunden.

"Guck mal, echte Indianer!" meinte ein junger Mann, eifrig dabei Fotos zu schiessen von Deutschen, die ihre Phantasie vom Indianer-Sein ausleben mit der Engstirnigkeit und dem Sinn für´s Detail, wofür die Deutschen so bekannt sind. Das könnte man ja eigentlich als lobenswerte Eigenschaft betrachten, aber bei diesem sogenannten "Powwow" war unrechtmässige Verwendung indianischer Kultur geradezu massenhaft vertreten.

Wettbewerbstanzen gab es beim Hoop- und Jingle-Tanz ebenso wie beim Fancy Shawl und Grass und es war Zuschauern jederzeit erlaubt mitzumachen. Das waren bloss Tänze ohne jegliche Symbolkraft und religiöse Verbundenheit, offensichtlich ein Mal-Was-Für-Jeden. Viel Bewegung aber nichts so wie das, womit ich aufgewachsen bin. Ich konnte die Aufregung und Begeisterung in Gesichtern sehen, die Ernsthaftigkeit der historischen Darstellung, die kunstvolle Ausführung der Kostüme, aber es war eben nicht mehr als eine Show, ein Theaterspiel, ein interaktive Kulturwissenschaftsausstellung zum anfassen.

Einige historische Fakten wurden bei diesem "Powwow" dargestellt und erklärt, aber vieles wurde so weit verbogen, dass es den Grund für solches Hobbyisten-"Reenactment" aufzeigen sollte, nämlich die Falschinformation, dass die Indianer nahezu ausgerottet seien - es wurde gesagt, die Hobyisten würden versuchen, den Geist dieser edlen Völker der Vergangenheit am Leben zu halten.

All das erinnerte mich an einen Artikel ind ICTMN von vor 14 Jahren. Lindbergh Namingha, ein Hopi, der in Deutschland lebte, schrieb über Hobbyisten: "Sie sind wie ein lebendes Museum und ich empfinde es sehr beleidigend, besonders wenn sie die Teilnahme von echten Indianern bei ihrer Veranstaltung verweigern. Sie sagen, wir wären zu modern und glauben, wir hätten unser Indianer-Sein verloren. Sie können anscheinend nicht verstehen, dass unsere Kultur, genau wie ihre, sich vom 17ten bis ins 21ste Jahrhundert weiterentwickelt hat."

Mit der Direktheit der Jugend drückte mein 16-jähriger Sohn das so aus: "Es ist nicht ihre Kultur. Sie stehlen sie von anderen, aber weigern sich, das zuzugeben. Das ist, warum sie uns nicht dort haben wollen, denn sie wissen, dass wir wissen, das was sie tun, ist falsch."

Das war kein Powwow. Es war ein Treffen eines Fan-Clubs und seiner Anhänger und nichts anderes als bei Anhängern von Star-Trek. Diese Aktivitäten basieren auf einer Phantasiewelt und Phantasiemenschen. Indianer sind real, sie haben eine Gegenwart und eine Zukunft, nicht nur eine Vergangenheit.
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Re: "Powwow"s, "Indianer"festivals u. ä. Events in Europa

Beitragvon Bärbel » Di 25. Feb 2014, 08:54

Hierzu eine Anmerkung von mir, die ich noch nie selber bei solch einer Veranstaltung hier in Europa war. Ich war letztlich bei einem grossen Western-Event in den Niederlanden, wo vor allem Line-Dance-Workshops und alles, was dazugehört, angeboten wurden, aber eben als WESTERN-Event, kein europäischen "Powwow". Indianer waren dort auch vertreten, aber eben welche, die definitiv ihre Wurzeln in den USA und Kanada haben und von denen die meisten auch extra von dort eingeflogen kamen. Bei einem Powwow war ich bisher nur bei einem einzigen, DAS wa allerdings in New Mexico und hatte nicht allzu viel mit dem zu tun, was Red Haircrow bei der Veranstaltung aus dem oben zitierten Artikel wohl zu sehen bekommen hat.

Ich habe allerdings letztlich versucht, einen Navajo-Musiker bei solch einer Veranstaltung als Musiker ins Gespräch zu bringen. Und da wurde mir ernsthaft am Telefon gesagt (die schriftliche Absage später lautete etwas anders, die Aussage am Telefon klang allerdings durchaus ehrlich und aus tiefstem Herzen), dass das ja ganz prima sei und so ein Flöte spielende Navajo für sie ja auch eine Bereicherung. Als ich dann aber erwähnte, dass dieser Navajo eben nicht in bunten Lederklamotten sondern als "Indianer des 21. Jahrhunderts" (und weil seine Musik eben eine Kombination aus Navajo Flöte und Beatboxen, also Navajo Flöte mit Hip Hop Einfluss ist) in Jeans und T-Shirt kommt, da lautete die Antwort "Oh, ja dann sehe ich aber schwarz. Wir haben hier ja auch ein Powwow und wir wollen das ja so authentisch wie möglich, da nehmen die Leute hier das ganz genau mit."

... den Navajo kennengelernt habe ich übrigens auf besagtem Powwow in New Mexico. DORT ist er bei solchen Veranstaltungen ein sehr gern gesehener Gast.

Gruss
Bärbel
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Re: "Powwow"s, "Indianer"festivals u. ä. Events in Europa

Beitragvon elk » Di 25. Feb 2014, 16:06

Ein wirklich meiner Meinung nach treffender, daher guter Artikel !

Und der von dem Native - Red Haircrow erzählte Zwischenfall der Belehrung aus dem Veranstaltungsteam ; " wie man sich zu einem Powwow zu verhalten habe" , steht doch fast auf ähnlicher Stufe wie Deine Erfahrung mit den Absagen “weil der Native nicht Indianisch genug.. ist “ . ..
SO EIN NONSENS !!!

Hier fand ich mal eine bemerkenswerte Aussage zu dem Nonsens, d.h.
„hier überhaupt solche Veranstaltungen und unter dem Titel Powwow zu begehen “… :

"Die Powwow sind heute weit mehr als eine Verbeugung vor der Vergangenheit. Sie sind keine Shows.
Sie dienen nicht der Unterhaltung. Die meisten Indianer bezeichnen sie als Feiern.
Anfangs begriff ich kaum, worum es bei diesen lärmigen Veranstaltungen ging.
Doch auf dem Powwow-Weg, wie die Indianer ihn nennen, von einer Veranstaltung zur anderen,
blicke ich hinter die Fassade - und ich merke, dass es eben doch etwas zu feiern gibt."


http://www.nationalgeographic.de/reportagen/topthemen/2004/powwow-das-grosse-fest-der-staemme


Aber auch in Wikipedia findet man eine gute Aussage :

"Powwows sind heute der in der Öffentlichkeit deutlichste Ausdruck der nordamerikanischen Indianerkulturen.
Die Teilnehmer präsentieren hier stolz ihre Stammeszugehörigkeit und erneuern bei jeder dieser Veranstaltungen ihr Selbstverständnis als „Native Americans“.

Demnach sind Powwows soziologisch betrachtet weit mehr als nur indianische Volksfeste.
Der Zweck eines Powwows besteht darin, den gemeinschaftlichen Geist zu stärken und die Zugehörigkeit zu einer indianischen Kultur aktiv zu leben.
Das geschieht durch Stärkung von Körper, Seele und Geist. Für ein gutes Leben ist es den Powwowleuten wichtig, bewusst die Traditionen zu pflegen . ( etc.)"


http://de.wikipedia.org/wiki/Powwow

Ist das soooo schwer zu verstehen ? ( oder sind die Leute nur lernunfähig bzw. schlimmstenfalls ignorant.. )

Wobei ich persönlich eher ...denke
:
Sie befürchten einfach , wenn sie das aufgeben, geraten sie persönlich in den Hintergrund..., denn das ist eben ihr selbstgezimmertes soziales Umfeld..." ( Nicht so einfach also, wenn man sich darin wohlfühlt- und denkt Jemand will einen das nur wegnehmen... :weissnix: )

Gruß,
elk


P.S:
Ich hatte Dir ja schon mal bei dem Thema (an anderer Stelle) dieses Beispiel gezeigt;
wie das noch in der hiesigen Presse verfälscht als „identisch“… mit hochgejubelt wird….:
http://www.lvz-online.de/region/taucha/mehr-als-100-indianer-tanzen-beim-winter-powwow-in-taucha/r-taucha-a-175320.html

Der Artikel bestätigt damit genau die Aussage aus dem Eingangsartikel , d.h. die Selbstdarstellung der Gastgeber der Veranstaltung wird so zitiert : "der Verein fördert das Brauchtum der nordamerikanischen Indianer"
( Donnerknispel ; und ich dachte immer, das das die Native americans und First Nation Mitglieder inzwischen alleine schaffen.."
IST DAS NICHT PEINLICH !!! :peinlich: )

Da könnt ich mir immer glatt die letzten :mrgreen: Haare raufen …! :haare:
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Re: "Powwow"s, "Indianer"festivals u. ä. Events in Europa

Beitragvon Bärbel » Di 25. Feb 2014, 17:34

Hallo Elk,

tja, mit dem, was man so in den Medien geschreiben findet, habe ich ja immer so meine Schwierigkeiten. Zur Ehrenrettung der Hobbyistenszene gehe ich davon aus, dass sie der Presse nicht diktiert haben, es wären 100 Indianer dort gewesen. Das hat wohl nur der Autor des Artikels als Aufmacher benutzt, um potentielle Leser anzuziehen.

Allerdings denke ich schon, dass so manch einer dieser Indianerbegeisterten sich derart in sein Hobby vertieft hat, dass dann auch schon mal die Ggrenzen zur Realität verschwimmen. Und dann wird es auch problematisch selber zu erkennen, wo die Grenzen des respektvollen Umgangs MITEINANDER überschritten werden und ausarten in einer ungerechtfertigten Anmassung und Ausbeutung der Kultur anderer zum eigenen Vorteil (sei er nun finanziell oder einfach nur für das persönliche Selbstverständnis.)

Aber wie ich schon sagte, ich will hier keiner neuerliche Diskussion zwischen längst verhärteten Fronten anzetteln...

Hihi, ja, "lärmige Veranstaltung", da ist was dran ... aber wenn man sich drauf einlässt eben auch etwas, was einen total in den Bann ziehen kann und Energien fliessen lässt, die zumindest ich mir nie ernsthaft habe vorstellen können. ... Energien, die eben auch die Gemeinschaft als solche stärken. Energien, die dieses Powwow weg von der Show und hin zur tatsächlichen Feier tragen.

Gruss
Bärbel
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