INDIANER zwischen Gestern und Heute

Forum zur Kultur, Geschichte und Gegenwart der Ureinwohner Amerikas

Der Umgang mit dem Tod




Informationen, die helfen sollen, Vorgänge in Indian Country besser zu verstehen

Der Umgang mit dem Tod

Beitragvon Bärbel » Sa 17. Nov 2012, 19:16

Wenn man so beobachtet, was passiert, wenn ein Mensch verstorben ist, dann fällt auf, dass indianische Kultur oftmals recht unterschiedlich ist zu europäischer Kultur. Wünscht man hier ein "möge er/sie in Frieden ruhen" bzw. im englischen Sprachgebrauch ein "rest in peace" (R.I.P.), so löst dies bei vielen indianischen Nationen nicht selten Unbehagen aus.

Bei vielen Nationen folgt auf den Tod eines Menschen traditionell ein festgelegtes (von Nation zu Nation oft unterschiedliches) zeremonielles Protokoll bis hin zum eigentlichen Begräbnis. Dabei werden auch jegliche Fotos des/der Verstorbenen weggeräumt und der Name des/der Verstorbenen mindestens ein Jahr nicht mehr ausgesprochen, damit der/die Verstorbene die Reise in die andere Welt ungestört antreten und vollenden kann, denn nach den Vorstellungen dieser Nationen würde das Aussprechen des Namens den Verstorbenen wieder zurückrufen, wodurch die andere Welt eben nicht wirklich erreicht werden kann. Deshalb wünscht man bei diesen Nationen "Gute Reise", aber ganz bestimmt nicht "Ruhe", zumindest nicht solange, bis die Reise in die andere geschafft ist. Während dieses Jahres, in dem der Name des/der Verstorbenen nicht ausgesprochen wird, sind die Angehörigen gehalten, sowohl spirituell, als auch emotional, mental und physisch auf sich zu achten, damit sie den Verlust des geliebten Menschen auch wirklich verarbeiten können. ... Wie schwer muss ihnen dies dann aber fallen, wenn europäisch orientierte Menschen in bestimmt allerbesten Ansichten, dann aber ausgerechnet die Formulierung "Ruhe in Frieden" (R.I.P.) nutzen?

Eilen bei manchen Nationen Verwandte und Freunde von überall her zusammen, um dem Verstorbenen sozusagen das letzte Geleit zu geben, wird dies in anderen Nationen nur vom ALLERengsten Familienkreis gemacht. Wer nicht zu diesem allerengsten Familienkreis gehört, wird zwar kurz über den Tod des entsprechenden Menschen informiert, das ist es dann aber auch. Keine Flut an Kondolenz-Karten, keine öffentliche Trauerfeier, gar nichts. Wer mag, schließt den/die Verstorbene(n) in die persönlichen Gebete mit ein, aber eben ganz privat. Jeder für sich auf seine ganz persönliche Art und Weise.

So manch eine Nation kennt traditionell auch kein erben/vererben. Bei ihnen darf man sich nicht persönlich am Tod eines Menschen bereichern, sprich das Eigentum des/der Verstorbenen wird dem/der Verstorbenen mit auf die Reise gegeben oder aber komplett vernichtet . Dann bleiben nur noch die Erinnerungsstücke, die zu LEBZEITEN verschenkt wurden, selbst wenn dies bedeutet, dass materielle Werte aufgegeben werden, die unter Umständen den Angehörigen noch gute Dienste hätten erweisen können.

... und so interessant die Kultur des jeweils anderen auch sein mag, gebietet es nicht der Respekt, sich selbst mal etwas zurückzunehmen und diese anderen, für uns manchmal nicht nachvollziehbaren kulturellen Unterschiede zu akzeptieren und die Menschen gerade bei solch privaten, persönlichen Dingen wie dem Umgang mit dem Tod einfach sie selbst sein zu lassen, ohne sich - trotz allerbester Absichten - im Grunde doch aufzudrängen?

Gruss
Bärbel
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von Anzeige » Sa 17. Nov 2012, 19:16

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Re: Der Umgang mit dem Tod

Beitragvon elk » So 18. Nov 2012, 00:20

Hi, Bärbel,

ein interessantes Thema und sicher mehrschichtig zu betrachten, neben dem was Du schon beleuchtet hast
und von der "Pietät" in Form der Respektvollen Rücksicht bzw. letzten Ehre gegenüber dem Verstorbenen, bis zu religiösen Besonderheiten.

Das Thema verdrängt man als Mitteleuropäer oft, d.h. man läßt den "Gevatter Tod" möglichst nicht an sich heran, was teilweise "weniger mit unserem alten kulturellen Erbe" zusammenhängt (unsere "Altvorderen" lebten ja auch in Sippen und in der Antike gab man dem Verstorbenen ja auch den Obulus für den "Fährmann".. mit, damit die Seele des Verstorbene im Jenseits auch sicher ankam), als mit unserem christianisierten religiösen Erbe durch die weltliche Kirche, d.h. mit der Drohung von Schmerz, Leid und für manche Taten dann im Jenseits ewige Buße....

Würde man das im - reinen - Glauben sehen, sehe das nämlch so aus :
"Der Mensch sei im Leben frei in der Wahl seiner Entscheidungen , d.h. wie er handelt- und er trägt allein die Verantwortung und die daraus entstehenden Folgen dafür...Ja, er ist seinem Schöpfer sogar ebenbürdig (nicht höher und nicht niedriger) und betraft sich allein durch falsches Tun... "

So gesehen, wären wir hier auf unserem Planeten und in unserem Kulturraum bestimmt unbelasteter im Hinblick auf das "Gehen von dieser oder auch eventuell dann in eine andere Welt"...
Bei den alten Völkern, genau so wie bei den indigenen Nachkommen gehörte gestern wie heute das Sterben einfach zum Leben dazu.

Und da der Tod auch heute noch in den meisten indianischen Gesellschaften allgegenwärtig ist,
also auch in der Gemeinschaft oftmals als gemeinschaftlicher Verlust wahrgenommen wird,
"gehört er zum täglichen Leben dazu und ist nicht in Krankenhäuser und Altenheime verbannt."

Letzteres ist ein Zitat aus :

"Tod und Jenseitsvorstellungen indigener Völker Amerikas"
von
Frank Kressing


Das ich hier auch noch mit empfehlen möchte, weil es die ganze Komplexität anschneidet
und auch das die "Seelenkonzeptionen" der Indianer
(und sicher auch anderer Indigenen, so wie früher bei unseren alten Völkern..)
sich fundamental von denen des Christentums und auch anderer sogenannter Hochreligionen unterscheiden.

Neben der Vielfalt indianischer Kulturen und ihrem Umgang mit dem Tod allgemein, beleuchtet der Autor auch dazu ganz speziell als Beispiele die Östliche Shoshone, Navajo, Hopi, Huichol, Azteken sowie die Cuna, Secoya und Moche (letztere drei = Südamerika).

http://www.philhist.uni-augsburg.de/de/lehrstuehle/volkskunde/Lehre/ws0506/indianer/Arbeitsmaterial/Tod_und_Jenseitsvorstellung.pdf

Ich wünsche allen Lesern
hier aber Gesundheit, Wohlergehen
und ein erfülltes Leben,


;)
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Re: Der Umgang mit dem Tod

Beitragvon Bärbel » So 18. Nov 2012, 07:51

Hallo Elk,

ich kenne das von Dir angesprochene Buch zwar (noch ;) ) nicht, aber es klingt doch sehr interessant. Denn soetwas öffnet einfach mal die Augen für andere Sichtweisen. Man muss diese anderen Sichtweisen ja nicht unbedingt teilen, aber dadurch, dass man um sie weiss, tritt man dann - hoffentlich - nicht mehr ganz so oft unabsichtlich in irgendwelche Fettnäpfchen.

Gruss
Bärbel
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